Das Sommerekzem: Wichtigste allergische Erkrankung des Pferdes

Das Sommerekzem: Wichtigste allergische Erkrankung des Pferdes

Das Sommerekzem: Wichtigste allergische Erkrankung des Pferdes

Das Sommerekzem ist die häufigste allergische Erkrankung bei Pferden und die klinische Ausprägung variiert stark zwischen den betroffenen Tieren. Das Sommerekzem ist für die Pferde oft sehr belastend und bringt die Besitzer:innen an ihre Grenzen, weil seine Behandlung nicht selten frustrierend und aufwändig ist.

Wir haben Ihnen im Folgenden alle wichtigen Informationen zur Ätiologie, Pathogenese und Diagnostik des Sommerekzems zusammengestellt. Auch Im Bereich der Therapie hat die Forschung viel auf den Weg gebracht, was Hoffnung für die Zukunft macht.

Sommerekzem: Basisfakten

  • Das Sommerekzem ist eine Typ-I-Hypersensitivitätsreaktion von Pferden gegen den Speichel von Culicoides-Mücken (Gnitzen, Kriebelmücken). Es kommt zu starkem Juckreiz, Hautveränderungen und zur Einschränkung der Lebensqualität betroffener Pferde.
  • Die Prävalenz des Sommerekzems variiert weltweit extrem. Sie liegt in Deutschland derzeit bei etwa 37% und ist lokal assoziiert mit dem Vorkommen der Gnitzen.
  • Andere Bezeichnungen für das Sommerekzem sind: Sweet Itch, Queensland Itch, Insect bite hypersensitivity (IBH), Culicoides Hypersensitivität (CH).

Welche Pferde sind von Sommerekzem betroffen?

Als die Krankheit bekannt wurde, betraf sie fast ausschließlich importierte Islandpferde. Deren Immunsystem wurde in der neuen Heimat erstmalig mit Culicoides-Speichel konfrontiert – auf Island gibt es keine Kriebelmücken. Für Islandpferde gilt auch heute noch, dass ihr Alter beim Export relevant ist: Je jünger die Tiere bei der Ausfuhr sind, desto geringer ist das Risiko für das Auftreten einer Ekzem-Erkrankung.

Heutzutage zeigt sich das Sommerekzem bei Pferden und Ponys aller Rassen, wobei Robustrassen sowie importiere Pferde aus z. B. Spanien häufiger betroffen zu sein scheinen. In aller Regel tritt es dabei als saisonale Erkrankung in den warmen Monaten auf (folgend der Ätiologie). Mittlerweile werden aber auch Fälle von ganzjährigen Erkrankungen gesehen.

Pathogenese des Sommerekzems

In den vergangenen Jahrzehnten wurde intensiv an Pathogenese und Therapie des Sommerekzems geforscht. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sind die Culicoides-Mücken als Hauptauslöser zu sehen.

Im Rahmen der allergischen Reaktion vermitteln IgE-Antikörper eine Degranulation von Mastzellen und basophilen Granulozyten. Außerdem sind T-Zellen und eosinophile Granulozyten an der Befeuerung des Entzündungsgeschehens beteiligt.

Eine T-Zell vermittelte Hypersensitivitätsreaktion-Typ-IV wird ebenfalls diskutiert.

In den Fokus gerückt sind zudem Interleukine, insbesondere IL-31: Es vermittelt Juckreiz direkt an das Nervensystem, völlig unabhängig von Histamin. In der Haut von an Sommerekzem erkrankten Pferden fand es sich direkt in den Läsionen(Olomski et al, 2020, Citas et al, 2020).

Wie äußert sich ein Sommerekzem beim Pferd?

Das alles dominierende Hauptsymptom ist hochgradiger Juckreiz. Primärläsionen werden selten gesehen, da starkes Kratzen und Scheuern schnell zu sekundären Veränderungen führen.

Zu beobachten sind u. a.

  • Papeln
  • Vesikel
  • Rötungen
  • Ödeme
  • Verdickung der Haut
  • Schuppen

Häufig kommt es zu Sekundärinfektionen mit Bakterien, Pilzen oder Parasiten.

Klassische Lokalisationen sind Mähnenkamm und Schweifrübe, es können aber auch Unterbauch und -brust, Kopf, Präputium und Euter betroffen sein.

Diagnose: Ist es tatsächlich Sommerekzem?

Die Diagnose erfolgt meist durch Anamnese und Ausschluss anderer Ursachen. Wenn die Hautveränderungen saisonal auftreten und durch Allergenvermeidung besser werden, etwa durch Eindecken, Aufstallen, etc., liegt der Verdacht auf ein Sommerekzem sehr nahe. Mittels mikrobiologischer Untersuchungen werden Bakterien und Pilze als Auslöser ausgeschlossen.

Eine histologische Untersuchung kann den Allergieverdacht bestätigen, unterscheidet aber nicht zwischen dem Sommerekzem und einer anderen allergischen Hauterkrankung.

Serologische Allergietests eigenen sich bisher nicht gut für eine Sommerekzem-Diagnostik, da ihre Spezifität und Sensitivität in Studien nicht überzeugen konnten. Auch variieren diese Werte zwischen den einzelnen Chargen. Intradermaltests sind sehr anfällig für Fehlanwendungen und weisen eine eher schlechte Reproduzierbarkeit auf. Häufig müssen die Pferde dafür zudem zu einem entsprechenden Spezialisten, weshalb die Compliance bei den Besitzer:innen eher gering ist.

Wirklich gute Tests benötigen ein Hauptallergen, auf das die meisten Pferde reagieren. Dies ist schwierig zu finden bei über 700 Culicoides-Arten, von denen 130 blutsaugend sind. Außerdem handelt es sich bei Insektenspeichel um eine komplexe Mischung.

Für die Zukunft besteht wahrscheinlich die Möglichkeit spezifischerer Testmethoden: In Erprobung befindet sich z. B. ein PCR-Test, der die Exprimierung von Entzündungsmediatoren analysiert, was die Unterscheidung zwischen Sommerekzem und anderen allergischen Dermatitiden erlauben würde.

Differenzialdiagnostisch in Betracht ziehen sollte man:

  • Ektoparasitenbefall (Haarlinge, Läuse, Milben)
  • Pilzbefall
  • Endoparasitenbefall (Oxyuris equi)
  • Sommerräude (Parafilaria multipapilosa)
  • Streifensommerekzem (Gasterophilus inermis)
  • Sommerwunden (kutane Habronematidose)
  • Futtermittelallergie

Symptomatische Therapie

Auf symptomatischer Ebene kann viel für die erkrankten Pferde getan werden:

Mechanischer und chemischer Insektenschutz:

Die erste und einfachste Maßnahme: Ekzemerdecken und Fliegenmasken, Aufstallen während extremer Flugperioden (Morgen- und Abenddämmerung). Außerdem sollte mit Repellentien gearbeitet werden.

Manchen Pferde verhelfen auch sommerliche „Kuraufenthalte“ an der Nordsee zu rascher Heilung und einem deutlich geringeren Leidensdruck, denn dort finden sich wenig bis keine Culicoides-Mücken. Die Haut kann in Ruhe abheilen, die Pferde kommen aus dem Circulus vitiosus aus Juckreiz und Schubbern heraus und bei Rückkehr in die Heimat kann der Besitzer mit einem ganz anderen Hautstatus die Behandlung weiterführen.

Topische Behandlung der Läsionen:

Reinigung

Reinigung mit kaltem Wasser sorgt für Vasokonstriktion, Kühlung und damit Linderung des Juckreizes. Spezielle Shampoos oder Gele lindern zusätzlich, können Sekundärinfektionen verhindern und enthalten Pflegestoffe. Aber cave: Zu viel Waschen greift die Hautbarriere an, die ohnehin schon gestört ist!

Pflege & regelmäßige Behandlung

Es gibt viele Produkte (Öle, Cremes und Puder), die für den Gebrauch am Ekzemerpferd erhältlich sind. Sie enthalten neben Pflegestoffen teilweise auch ätherische Öle. Nicht alle beworbenen Wirkungen sind wissenschaftlich belegt. Halter:innen schwer betroffener Pferde sind oft bereit, sehr viel auszuprobieren, um die starken Symptome zu lindern. Zu diesen Versuchen zählen auch Essigwasser oder Effektive Mikroorganismen.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren in der Therapie des Sommerekzems

In Studien an Pferden (Huhmann, 2019) und Hunden (Blaskovic et al, 2014) konnte der positive Effekt der lokalen Anwendung von Omega-3-Fettsäuren belegt werden. Sie reduzierten den Juckreiz und beschleunigten die Heilung. Zudem konnte die Dosis anderer Medikamente teilweise verringert werden. Sie stärken zudem die Hautbarriere und unterstützen so einen gesunden Hydratationszustand. Diese Effekte sind bei Menschen ebenfalls erforscht.

Auch die systemische Gabe von mehrfach ungesättigten Fettsäuren wirkt unterstützend bei der Behandlung des Sommerekzems bzw. Atopie, wie Studien bei Pferden (O `Neill et al, 2002; Hall et al, 2004a+b) und Hunden (Bond et al, 1994; Saevik et al, 2004; Scott et al. 1990; Scott et al, 1997) zeigen.

Omega-3-Fettsäuren wirken antiinflammatorisch, da sie über die Minderung der Eicosanoidsynthese an Entzündungsgeschehen beteiligt sind. Weitere Effekte sind ein Einfluss auf Genexpression sowie auf die Signalübertragung von Immunzellen (Zentek, 2022).

Sowohl lokal als auch systemisch kann also eine Behandlung bzw. Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren die Symptome des Sommerekzems lindern.

Fütterung und komplementäre Verfahren

Ohnehin kann eine Anpassung der Fütterung hilfreich sein: Raufaserreiche und wenig zuckerhaltige Futtermittel unterstützen über eine gesunde Darmflora den gesamten Pferdeorganismus. Die Versorgung mit einem guten Mineralfutter sollte selbstverständlich sein – ist es oft aber noch nicht.

Eine optimierte Haltung, Stressreduktion bei Training und Handling sowie die Stärkung von Immunsystem und Darmflora mittels komplementärer Verfahren kann ebenfalls unterstützend gegen Sommerekzem wirken (Fritz & Maleh, 2022).

Schwere Verläufe von Sommerekzem behandeln

Bei schweren Fällen von Sommerekzem, bei denen die genannten Methoden nicht ausreichend erfolgreich sind, muss auf eine lokale und / oder systemische Anwendung von Glukokortikoiden (Prednisolon) zurückgegriffen werden. Aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils ist dies möglichst restriktiv einzusetzen.

Auch Antihistaminika haben ihren Platz in der Behandlung des Sommerekzems. Allerdings reagieren längst nicht alle betroffenen Pferde darauf, was vermutlich mit der nur eingeschränkten Bedeutung von Histamin in diesem Kontext zusammenhängt (siehe Pathogenese).

Gibt es ursächliche Therapien gegen Sommerekzem?

An dieser Stelle lautet die Antwort: Hoffentlich bald!

ASIT: Allergenspezifische Immuntherapie

Die Entwicklung einer Hyposensibilisierung für betroffene Pferde scheitert bisher an der genauen Bestimmung des Hauptallergens. Es wurden verschiedene Protokolle getestet und die Ergebnisse sind aktuell noch kontrovers. Dies könnte sich mit besserer Antigenbestimmung ändern.

Antikörper-Therapie

Für Menschen und Hunde gibt es bereits eine Antikörper-Therapie gegen die Interleukine 5 und 31 bzw. den Interleukin Rezeptor IL-5alpha. Diese sichere und sehr gut wirksame Therapie ist für Pferde aktuell noch nicht verfügbar.

Therapeutischer Impfstoff

Aktuell befindet sich ein therapeutischer Impfstoff gegen die Interleukine 5 und 31 im Zulassungsverfahren. Das Target-Molekül ist hier an ein virus-like protein (VLP) auf pflanzlicher Basis gebunden und induziert bei den Pferden eine entsprechende Antikörperbildung gegen diese Botenstoffe. Mit IL-5-Antikörpern wird die Konzentration eosinophiler Granulozyten reduziert; es kommt zu weniger Läsionen. Die Unterbrechung des Histamin-unabhängigen Juckreizes soll auf der IL-31-Ebene erreicht werden (Birkmann et al, 2022).

Die Immunantwort ist allerdings reversibel, sodass eine regelmäßige Nachimpfung erforderlich wäre.

Zusammenfassung:

Das Sommerekzem ist eine sehr unangenehme und meist klinisch virulente Erkrankung, die sich zunehmend ausbreitet. Neben der Diagnostik ist ein multifaktorielles Behandlungsmanagement entscheidend. Für die Zukunft werden neue Therapie-Optionen im Bereich der Immunologie erwartet.

Quellenangabe:

Birkmann, Katharina; Fettelschoss-Gabriel, Antonia. Das Sommerekzem – neue
Ansätze in Diagnostik und Therapie. Pferdespiegel 2022; 25(03): 112 – 118. DOI:
10.1055/a-1902-1959
Blaskovic M, Rosenkrantz W, Neuber A, Sauter-Louis C, Mueller RS. The effect of a
spot-on formulation containing polyunsaturated fatty acids and essential oils on
dogs with atopic dermatitis. Vet J 2014; 199: 39-43.
Bond R, Lloyd DH. Combined treatment with concentrated essential fatty acids and
prednisolone in the management of canine atopy. Vet Rec 1994; 134: 30–32.
Coenen M, Vervuert I. Pferdefütterung. Hrsg. 6., aktualisierte Auflage. Stuttgart:
Thieme; 2019. doi:10.1055/b-006-161670
Cvitas I, Oberhaensli S, Leeb T, Dettwiler M, Müller E, Bruggman R, Marti E. Investigating
the epithelial barrier and immune signatures in the pathogenesis of equine
insect bite hypersensitivity. PLoS
One 2020; 15: e0232189
Fritz C, Maleh S, Zivilisationskrankheiten des Pferdes. Hrsg. 2., aktualisierte Auflage.
Stuttgart: Thieme; 2020. doi:10.1055/b-006-166356
Hall JA, Van Saun RJ, Wander RC. Dietary (n-3) Fatty Acids from Menhaden Fish
Oil Alter Plasma Fatty Acids and Leukotriene B Synthesis in Healthy Horses. J Vet
Intern Med 2004a; 18: 871-879.
Hall JA, Van Saun RJ, Tornquist SJ et al. Effect of Type of Dietary Polyunsaturated
Fatty Acid Supplement (Corn Oil or Fish Oil) on Immune Responses in Healthy
Horses. J Vet Intern Med 2004b; 18: 880-886.
Huhmann R, Mueller RS. A cream containing omega-3-fatty acids, humectants and
emollients as an aid in the treatment of equine Culicoides hypersensitivity. Vet Dermatol
2019; 30: 155-e146)
Olomski F, Fettelschoss V, Jonsdottir S, Birkmann K, Thoms F, Marti E, Bachmann
MF, Kundig TM,
Fettelschoss-Gabriel A. Interleukin 31 in insect bite hypersensitivity-Alleviating clinical
symptoms by active vaccination against itch. Allergy 2020; 75: 862-871
O´Neill W, McKee S, Clarke F. Flaxseed (Linum usitatissimum) supplementation
associated with reduced skin test lesional area in horses with Culicoides hypersensitivity.
Can J Vet Res 2002; 66: 272-277.
Piekutowska A, Pin D, Rème CA, Gatto H, Haftek M. Effects of a topically applied
preparation of epidermalipids on the stratum corneum barrier of atopic dogs. J
Comp Pathol 2008; 138: 197–203.
Saevik BK, Bergvall K, Holm BR, Saijonmaa-Koulumies LE, Hedhammar A, Larsen
S, Kristensen F. A randomized, controlled study to evaluate the steroid sparing effect
of essential fatty acid supplementation in the treatment of canine atopic dermatitis.
Vet Dermatol 2004; 15: 137–145.
Scott DW, Miller WH. Nonsteroidal management of canine pruritus: chlorpheniramine
and fatty acid supplement (dvm derm caps) in combination and the fatty acid
supplement at twice the manufacturer´s recommended dosage. Cornell Vet 1990 80:
381–387.
Scott DW, Miller WH, Jr., Reinhart GA, Mohammed HO, Bagladi MS. Effect of an
omega-3/omega-6 fatty acid-containing commercial lamb and rice diet on pruritus
in atopic dogs: results of a single-blinded study. Can J Vet Res 1997; 61:145-53.
Zentek J. Ernährung des Hundes. Hrsg. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Stuttgart: Thieme; 2022. doi:10.1055/b-006-166353

Gesundheit beim Pferd – ohne Umwege

Gesundheit ohne Umwege – Omega-3-Supplementierung & ein gesundes Pferdeleben

Wie die marine Omega-3-Supplementierung ein gesundes Pferdeleben fördert

Die heutige Pferdehaltung bringt viele neue Herausforderungen mit sich. Das einstige Steppentier, welches täglich mehrere Kilometer in der Herde zurücklegte, um genügend Gräser und Wasser zu finden, lebt nun in Boxen mit zum Teil Paddock und muss sich nur einmal um die eigene Achse drehen, um vom Tränkebecken zurück zum Heuhaufen zu gelangen.

Um die gewünschte Leistung erbringen zu können, finden zudem hohe Kraftfutter- und Getreiderationen Einlass in den Futtertrog. Diese konzentrierte Fütterung bleibt nicht ohne Folgen für den Metabolismus des Pferdes. Denn Getreide hat einen hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren.

Frische Gräser sind reich am Omega-3-Fettsäuren und decken in der Wildnis den täglichen Bedarf. Dies können wir meist weder in unserer Haltung noch in unseren Breitengraden abdecken. Eine ganzjährige Weidehaltung, damit ist keine Matschweide im Winter gemeint, gibt es nur in sehr wenigen Ställen.

Durch die Kombination aus Getreidefütterung und weniger frischem Gras erhöht sich die Omega-6/Omega-3-Disbalance zu Gunsten der Omega-6-Fettsäuren. Aus diesem Grund sollte eine gezielte Omega-3-Supplementierung in der Pferdeküche nicht vernachlässigt werden.

Unterstützende orale Supplementierung wird von Pferdebesitzern gerne angewendet. Doch welche Rolle dabei die essenziellen ungesättigten Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) spielen und wie man Umwege und somit Verluste in der Verabreichung vermeiden kann, ist meist weniger geläufig.

Öle in der Pferdefütterung sind schon lange gern gesehene Zusatzmittel in der Futterkammer. Meist werden sie für glänzendes Fell und zur Unterstützung des Fellwechsels eingesetzt. Doch es gibt noch deutlich mehr Möglichkeiten, und vor allem effizientere, Öle in der Pferdefütterung zu verwenden.

Bühne frei für EPA und DHA

In diversen Studien konnte die unterstützende Wirkung von EPA und DHA in mehreren Einsatzbereichen der oralen Supplementierung nachgewiesen werden. So wurde die Reduzierung der Herzfrequenz im Training bewiesen, wenn eine regelmäßige Omega-3-Gabe erfolgte.[1] Auch wurden positive Effekte bei RAO (equine recurrent airway obstruction) und IAD (inflammatory airway disease) bestätigt[2].

Vor allem bei der Linderung von inflammatorischen Prozessen im Körper konnten die explizite Ergänzung von Omega-3 Fettsäuren bei Pferden gute Erfolge erzielen[3] , wie zum Beispiel bei Culicoides-Hypersensitivität (Sommerekzem), Arthrose und Hufrehe.

Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren – eine kurze Zusammenfassung

Das Dreigestirn der ungesättigten Omega-Fettsäuren wird in der gebräuchlichen Omega-Nomenklatur folgendermaßen aufgeteilt: Omega-3-Fettsäuren (n3-Fettsäuren), Omega-6-Fettsäuren (n6-Fettsäuren) und Omega-9-Fettsäuren (n9-Fettsäuren)[4]. Omega-3 und Omega-6 gehören zu den essenziellen Fettsäuren, da sie von Vertebraten über die Nahrung aufgenommen werden müssen.[5]

Auch bei den wichtigsten Omega-3-Fettsäuren sind aller guten Dinge drei: α-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA)[6].

Wie anfangs erwähnt liegt durch die heutige Pferdefütterung ein Defizit an Omega-3-Festtsäuren vor. Die Balance herzustellen, sollte Ziel einer verantwortungsvollen Pferdehaltung sein. Bei bereits bestehenden inflammatorischen Symptomen ist eine weitere Verschiebung zu Gunsten der Omega-3-Fettsäuren erstrebenswert.

Der Zusammenhang von Fettsäuren und Entzündungen

Der Dreh- und Angelpunkt dabei sind die Eicosanoide. Diese kurzlebigen, chemischen Botenstoffe interagieren mit dem Immunsystem und beeinflussen biologische Prozesse wie zum Beispiel Entzündungen.[7]

Abhängig von ihrer Ausgangssubstanz wirken sie unter anderem entweder antiinflammatorisch oder proinflammatorisch.[8] Vor allem aus Omega-6-Arachidonsäure (AA) oxidierte Eicosanoide fördern Entzündungen. Und hier kommen wieder die Omega-3-Fettsäuren ins Spiel, denn diese konkurrieren um dieselben Enzyme (Cyclo- und Lipoxygenasen).

Das bedeutet: je mehr Omega-3-Fettsäuren durch die Nahrung aufgenommen werden, desto weniger AA kann aus Omega-6-Fettsäuren gebildet werden, welches der Ausgangsstoff für entzündungsfördernde Botenstoffe ist. Denn das AA wird durch EPA in den Phosolipiden ersetzt[9] und kann so nicht mehr als Vorstufe für die proinflammatorischen Eicosanoide dienen.[10]

Je mehr EPA und DHA der Organismus also zur Verfügung hat, desto mehr werden entzündliche Prozesse im Körper vermindert.

Leinöl – ein Umweg mit hohen Verlusten

Bisher wurde eine Omega-3 Supplementierung beim Pferd vor allem durch Lein-, Raps- oder Hanföl vollzogen. Pflanzliche Öle enthalten vor allem die Omega-3-Fettsäure α-Linolensäure (ALA). Diese wird in Octadecatetraensäure (GLA) umgewandelt, welche in Eicosatetraensäure elogiert. Diese wiederum wird durch eine δ-5-Desaturase in Eicosapentaensäure (EPA) umgebildet. Aus diesem EPA kann über die Elongase von Docosapentaensäure (DPA) noch Docosahexaensäure (DHA) gebildet werden.

Quelle: Huhmann, 2019

Klingt kompliziert und beinhaltet etliche Schritte, richtig? Dass es da Verluste gibt, liegt klar auf der Hand.

Den Unterschied sieht man deutlich in der nötigen Dosierung der Öle. Denn gängige Leinöl-Produkte empfehlen 5-10 ml je 100kg Lebendmasse (LM). Hiervon kann das Pferd jedoch nur 5-10% in EPA und DHA konvertieren. Theoretisch müsste somit die Menge 10- bis 20-mal so hoch sein, um dieselbe Wirkung wie Fisch- und Algenöl zu erzielen. Aber das entspräche ca. 200 ml Leinöl je 100kg LM beim Pferd. Diese Mengen füttert natürlich niemand und macht kalorisch auch keinen Sinn.

Um also eine möglichst effiziente Zufütterung mit viel EPA/DHA und wenig Kalorien zu erreichen, ist die Wahl einer marinen Omega-3-Quelle zu empfehlen.

Omega-3-Fettsäuren aus dem Meer

Fischöl ist in der Hundeernährung schon länger bekannt als effiziente Omega-3-Quelle. In der Pferdefütterung bekommt die Wirksamkeit von Omega-3-Supplementierung erst langsam mehr Bedeutung.

Aber warum Fisch- oder Algenöl füttern, wenn auch Leinöl geht? Um eine möglichst hohe Konzentration an EPA und DHA zu ergänzen, ohne Umwege und ohne unnötige Kalorien.
Während nämlich die beiden Omega-3-Fettsäuren, um die es am Ende wirklich geht, im Leinöl aus ALA und diversen Zwischenschritten erst gebildet werden müssen, sind sie in den marinen Quellen bereits sofort enthalten.

Wessen Pferd bei dem Geruch und Geschmack von Fischöl die Nüstern rümpft, kann direkt zum Algenöl greifen. Der Geruch ist nicht so intensiv. Zudem spart man beim Algenöl ebenfalls Umwege. Denn die eigentliche Quelle der Omega-3-Fettsäure sind Algen. Diese werden von Plankton aufgenommen, welches von den Fischen gefressen wird. Nur dadurch weist das Fischöl einen hohen EPA- und DHA-Gehalt auf.

Dosierung von Omega-3 bei Hunden und Katzen

Während vor allem bei Katzen das Fischöl deutlich besser akzeptiert wird, ist dies bei Hunden unterschiedlich. Welches der beiden marinen Öle vom Pferd besser gefressen wird, muss somit ausprobiert werden. Wenn man die Philosophie der vegetarischen Ernährung des herbivoren Pferdes berücksichtigt, ist das vegane Algenöl vorzuziehen. Durch die in der Leber gespeicherten Gallenflüssigkeit des Pferdes, können die Öle sehr gut verstoffwechselt werden.

Grundsätzlich empfehlen sich 2-3 g Omega-3 je 100 Kilogramm Körpergewicht bei Pferden. Dies entspricht 5-8 ml Algenöl je 100kg Körpergewicht. Beim Dorschöl entspricht dies 10-15 ml je 100 kg Körpergewicht.
[ergänzende Grafik]

Die Mischung macht’s

Der Metabolismus des Pferdes ist immer noch für die Ernährung durch kleine Portionen an faserreichen Gräsern und Sträuchern optimiert. Die Anforderungen an die Tiere heutzutage und die aktuellen Haltungsformen bringen aber eine deutlich erhöhte Kraftfutter- und Getreidefütterung mit sich, welche einen hohen Omega-6-Fessäure-Anteil besitzen. Die fehlende ganzjährige Fütterung von Weidegras, welches Pferden normalerweise die meisten Omega-3-Fettsäuren liefert, kann auch durch Heu nicht kompensiert werden.  Diese erhöhte Omega-6-Zufuhr gilt es, besonders bei Auffälligkeiten, durch Omega-3-Supplementierung wieder in die Balance zu bringen.

Autorin: Yve Brüggemann –  Tierpsychologin und Tierernährungsberaterin

[1] O’Connor et al.2007

[2] Norgadi et al., 2015

[3] Miller et al. 1991

[4] Ziboh und Miller, 1990

[5] Aflin-Slater und Aftergood, 1968

[6] Humann, 2019

[7] Gil, 2002

[8] Calder, 2001

[9] Ziboh und Chapkin, 1988

[10] Ziboh und Lord, 1979

Literaturliste

  • Alfin-Slater RB, Aftergood L. Essential fatty acids reinvestigated, 1968
  • Calder PC. Polyunsaturated fatty acids, inflammation, and immunity, 2001
  • Gil, Á. Polyunsaturated fatty acids and inflammatory diseases, 2002
  • Hall JA, Robert, Van Saun J, Tornquist SJ, Gradin JL, Pearson EG, Wander RC. Effect of Type of Dietary Polyunsaturated Fatty Acid Supplement (Corn Oil or Fish Oil) on Immune Responses in Healthy Horses, 2004
  • Huhmann R.  Die topische Applikation von Omega-3-Fettsäuren, Harnstoff und Glykolsäure bei Pferden mit Culicoides-Hypersensitivität (Sommerekzem), 2019
  • Miller CC, Tang W, Ziboh VA, Fletcher MP. Dietary Supplementation with Ethyl Ester Concentrates of Fish Oil (n-3) and Borage Oil (n-6) Polyunsaturated Fatty Acids Induces Epidermal Generation of Local Putative Anti-Inflammatory Metabolites, 1991
  • Nogradi N, Couetil LL, Messick J, Stochelski MA, Burgess JR. Omega-3 fatty acid supplementation provides an additional benefit to a low-dust diet in the management of horses with chronic lower airway inflammatory disease, 2015
  • O’Connor CI, Lawrence LM, Hayes SH. Dietary fish oil supplementation affects serum fatty acid concentrations in horses, 2007
  • Ziboh VA, Chapkin RS. Metabolism and function of skin lipids, 1988
  • Ziboh VA, Lord T. Phospholipase A Activity in the Skin. Modulators of Arachidonic Acid Release from Phosphatidylcholine, 1979
  • Ziboh VA, Miller CC. Essential Fatty Acids And Polyunsaturated Fatty Acids: Significance In Cutaneous Biology, 1990

Sommerekzem – wenn der Pelz juckt; wie kann die Ernährung Vierbeiner und Halter unterstützen

Sommerekzem – wenn der Pelz juckt; wie kann die Ernährung Vierbeiner und Halter unterstützen

Dr. Anne Mößeler & Dr. Brigitta Wichert

Thema

Ein Sommerekzem kann Pferd und Reiter die Freude an der „schönsten Zeit des Jahres“ kräftig vermiesen. Während andere das gute Wetter und die Natur genießen, dreht sich der Alltag der Pferdebesitzer von an Sommerekzem erkrankten Pferden um den Einsatz von Insekten-Abwehmitteln, Ekzemerdecken, Hautpflege und natürlich auch die Frage, wie man den Vierbeiner unterstützen kann. Dies stellt auch den behandelnden Tierarzt / Tierärztin vor Herausforderungen, weil diese Erkrankung oftmals von den Besitzern als sehr „frustrierend“ wahrgenommeen wird und eine gewisse Hilflosigkeit empfunden wird. Der Ernährung kommt bei dieser Erkrankung eine besondere Rolle zuteil –  schließlich gilt es nicht nur, die für die normale Hautfunktion notwendigen Nährstoffe in adäquater Menge zur Verfügung zu stellen, um eine Nährstoffdefizite oder -Überschüsse zu vermeiden, die die Hautgesundheit bzw. Hautbarriere bachteilig beeinflussen könnten. Durch diätetische Maßnahmen (u.a. den Einsatz von essentiellen Fettsäuren) kann dieses Krankheitsgeschehen durchaus positiv beeinflusst werden und Entzündungsreaktionen abgemildert werden. Omega-3 Fettsäuren können dabei durch die antiinflammatorische Wirkung sehr positive Effekte haben.


Dozentinen

Anne Mößeler ist Tierärztin und war schon im Studium von den vielfältigen Auswirkungen der Ernährung und den diätetischen Möglichkeiten fasziniert. Während der langjährigen Tätigkeit am Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover bildete sie sich nicht nur zur Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik, sondern auch zum EBVS® European Specialist in Veterinary and Comparative Nutrition weiter. Die Forschungsfelder waren vielfältig (Einfluss der Fruktane auf die mikrobielle Verdauung beim Pferd als Doktorarbeit; Magenulcera beim Monogastrier und insbesondere das Thema exokrine Pankreasinsuffizienz (interdisziplinäre Forschung) auf welchem auch die Habilitationsschrift angefertigt wurde. Im Jahr 2017 gründete sie die Praxis für tierärztliche Ernährungsberatung und berät Tierärzte, Tierhalter und -Züchter bezüglich der optimalen Ernährung der Vierbeiner. Dabei ist ihr das individuelle Eingehen auf die Bedürfnisse des Tieres und der Besitzer ein besonderes Anliegen – schließlich gibt es nicht EINE Lösung – sondern viele Optionen, die an die besondere Situation angepasst werden können und müssen (kommerzielle Futter oder selbst zubereitete Rationen). Insbesondere bei komplexen Mehrfacherkrankungen sind teils keine kommerziellen Futtermittel verfügbar, so dass dann eine fachtierärztlich konzipierte „home made diet“ sinnvoll und notwendig ist. 

Dr. Brigitta Wichert, Tierärztin, promovierte bei Frau Prof. Kienzle. Sie war von 1997 bis 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in München tätig. Im Jahr 2001 absolvierte sie ihr Examen zur Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik. Seit 2003 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tierernährung an der Universität Zürich, wo sie in den Bereichen Lehre, Forschung und Vorlesungen zum Thema Tierernährung tätig ist. Zwischen 2009 und 2012 unterrichtete sie auch Pferdeernährung im Fachbereich „Pferdewissenschaften“ an der FH Zollikofen. 2013 erfolgte ihre Habilitation.